Es braucht nicht viel um Brücken zu bauen zu Menschen mit Demenz, aber das was man tut - muss GANZ und RUND sein
3 jähriges Forschungsprojekt der Universität Kassel, der Robert-Bosch-Stiftung und der AWO-Nordhessen
Ein Erlebnis, das ich sicher nie vergessen werde, das mich stärker beeindruckt hat, als alles was mir bisher in Begegnungen mit dementen Menschen zu Herzen gegangen ist.
Im Juni 2006 war ich mit einem Team der Universität Kassel zu einem Förder- und Forschungsprojekt der Robert-Bosch-Stiftung in Kazanlak in Bulgarien. Eine Gruppe von bulgarischen Fachleuten kam im Okt. 2005 zur Schulung zu uns nach Kassel, um Ideen zur Verbesserung der Lebensqualität dementer Menschen im stationären Bereich in Bulgarien im Rahmen einer Fortbildung aufzunehmen.
Neben der weiterführenden Schulung der Fachleute im Juni 2006 in Bulgarien selbst, war es mir wichtig, überhaupt erst einmal die Situation in bulgarischen Altersheimen kennen zu lernen. Ich versuchte mich sc hon im Vorfeld emotional auf belastende Eindrücke einzustellen. Doch das Elend war viel schlimmer als all meine Vorstellungen. Über dieses Ausmaß möchte jedoch gar nicht berichten.
Es geht mir um eine kleine Situation:
In einem neu eingerichteten Aufenthaltsraum mit einem Tisch und Stühlen fand ich eine Gruppe von Bewohnern vor. So bös dies klingt, aber diese Menschen wirkten zunächst auf mich wie lebende Mumien. Da ich die Sprache ja nicht beherrsche und auch sonst eher geneigt bin auf nonverbalem Weg Kontakt zu dementen Menschen aufzunehmen, suchte ich mir einen Ball, setzte mich dazu und begann den Ball auf dem Tisch hin und her zu bewegen. Erst allmählich ließ ich den Ball zu diesen Menschen hin rollen. Zunächst zeigten sich nur Reflexe in den Reaktionen, aber nach und nach tauchten die Bewohner aus ihrer Versunkenheit auf. Sie nahmen die Situation am Tisch mit den Beteiligen sowie die Lebendigkeit, die durch die Ballbewegungen entstanden, wahr. Jeden Impuls aus der Gruppe nahm ich ins Ballspiel auf.
Eigentlich finde ich es sehr schwierig, überhaupt passende Worte für meine Beschreibung zu finden, darum = gebe ich ein paar Fotos zu meiner Geschichte.
Im Laufe dieser Aktion, die 1 1/2 Std. dauerte und auch nur (unter Protest der Mitspieler) endete, weil das Abendessen wartete, lernte ich bulgarische Wörter wie die Zahlen von 1 bis 4, und Ausrufe wie bravo usw. von den mitspielenden Bewohnern. Das schallende Lachen im Raum zog weitere Bewohner und sogar Mitarbeiter an. Das Elend um uns herum konnte ich während dieses Spiels total vergessen. Meine Begleitung, das beobachtende Forschungsteam, konnte sich nicht zurückhalten und nahm am Tischgeschehen teil. Später wurde mir von diesen Projektleuten mitgeteilt, man sei sehr betroffen von diesem besonders bewegenden Erlebnis mit den Heimbewohnern während dieses so scheinbar banalen Ballspiels.
Ich habe sehr viel von diesen Menschen am Tisch gelernt. Nie zuvor habe ich mit einer so feinen Wahrnehmung auf die Botschaften in der Kommunikation mit dementen Menschen geachtet